Fragebogen #6: EUROTRASH

Fragebogen
Lesedauer 3 Minuten

Am 12. Dezember 2022 besuchte Christian-Mathias Wellbrock, Universitätsdozent an der Hamburg Media School, eine Vorstellung von EUROTRASH nach Christian Kracht in der Regie von Burgtheater-Ensemblemitglied Itay Tiran. Wir haben ihn gebeten, seine Eindrücke mit uns zu teilen.

Die Ensemblemitglieder Barbara Petritsch und Johannes Zirner auf der Bühne.
© Susanne Hassler-Smith
In unserer Rubrik FRAGEBOGEN laden wir bekannte Gesichter zu einer Vorstellung ins Burgtheater und befragen sie zu ihren Eindrücken.

„DIE DOSIS MACHT DAS GIFT“

 

HABEN SIE MIT CHRISTIAN KRACHT EINE VORGESCHICHTE?

Leider nicht mit ihm persönlich, aber mit seinen Büchern, ja. Jedes einzelne, das ich von ihm gelesen habe, finde ich für sich großartig und besonders. Am meisten beeindruckt hat mich aber seine stilistische Vielfalt – von „Faserland“ und „Eurotrash“ bis hin zu „Imperium“.

 

WAS HABEN SIE ALS LETZTES GETAN, BEVOR SIE SICH AUF DEN WEG INS THEATER MACHTEN?

Ich habe mit Kolleg*innen der Wiener Medieninitiative im Gasthaus Grünauer gesessen, vorzüglich gespeist und mich angeregt unterhalten. Man hatte Verständnis dafür, dass ich etwas zeitiger losmusste. Ins Akademietheater? Kein Problem. Wir hoffen, Sie haben einen Gangplatz.

 

WAS HATTEN SIE AN? SIND SIE AUFGEFALLEN? IST IHNEN JEMAND INTERESSANTES IM FOYER AUFGEFALLEN?

Blaue Chino-Hosen, meine Lieblingssneaker (blau), ein helles Poloshirt und ein blauer Pullover. Im Nachhinein sehr blaulastig. Keine Absicht. Aufgefallen sind mir die Wiener*innen. Das liegt aber daran, dass ich seit langer Zeit das erste Mal wieder in Wien zu Gast war, und es sehr genossen habe.

 

IST IHNEN EIN BILD AUS DER INSZENIERUNG BESONDERS IM GEDÄCHTNIS GEBLIEBEN?

Die Inszenierung lebt ja nicht unbedingt von wechselnden Bühnenbildern, aber der Schnee und die herumwehenden Geldscheine in kaltem Licht – das hat schon gesessen.
 

KÖNNEN SIE SICH AN IHREN ERSTEN GEDANKEN, IHR ERSTES GEFÜHL NACH VORSTELLUNGSENDE ERINNERN? 

Danke. Was für eine grandiose schauspielerische Leistung. Zweiter Gedanke: was für ein Glück, dass ich einen Gangplatz hatte.

 

DER ERZÄHLER IN EUROTRASH, CHRISTIAN, ERTRÄUMT FÜR SICH UND SEINE MUTTER EINE REISE NACH AFRIKA. WAS WÄRE IHR SEHNSUCHTSORT?

Mein Sehnsuchtsort ist, entspannt auf der Couch zu liegen und die Haare gekrault zu bekommen. Leider bin ich selten entspannt und steuere hart auf eine Glatze zu. Im nächsten Leben sollte ich vielleicht Hund werden.

 

FINDEN SIE ESKAPISMUS VERWERFLICH?

Auf keinen Fall! Eskapismus ist ein wichtiges Mediennutzungsmotiv und auch für die Psychohygiene nicht zu unterschätzen. Christian und seine Mutter sind sich in der gemeinsamen Realitätsflucht sogar am nächsten! Wie so oft gilt natürlich auch hier: Die Dosis macht das Gift. Und auch das Medium: besser im Theater als am Handy.

 

ANGENOMMEN, SIE KÖNNTEN SICH EINE*N GESPRÄCHSPARTNER*IN WÜNSCHEN, UM ÜBER DEN ABEND ZU SPRECHEN, WER WÄRE DAS? HÄTTEN SIE SCHON EINE ERSTE FRAGE AN DIESE PERSON? 

Christian Kracht natürlich. Allerdings neige ich dazu, sehr schnell „star-struck“ zu sein, daher könnte ich sicher keine gescheite Frage formulieren und würde eher mit meinem Blick fragen: „Wie machen Sie das alles?“ Das wäre für uns beide eine seltsame Situation. Vielleicht spreche ich besser mit meinen guten Bekannten Hans König oder Volker Schmitt über das Stück. Sie schreiben und inszenieren von Berufswegen (meist in Bremen und Hamburg) – das gäbe für mich neue Einblicke, und ich kann etwas lernen.

 

HABEN SIE SICH VOM THEATER VERSTANDEN GEFÜHLT?

Das würde ich vom Theater nicht erwarten. Nur so viel: Bei EUROTRASH habe ich das Theater gefühlt. Alles richtig gemacht!

Ein Porträtbild des Universitätsdozenten Christian Wellbrock in farbe.
Christian Wellbrock
© Sebastian Isacu

Christian-Mathias Wellbrock

ist seit April 2021 Leiter Innovation und Studium im Bereich Digital- und Medienmanagement der Hamburg Media School. Zuvor war er unter anderem Universitätsprofessor für Medien- und Technologiemanagement an der Universität zu Köln, Juniorprofessor für Medienmanagement an der Universität Hamburg und Visiting Assistant Professor an der Michigan State University. Er hat Volkswirtschaftslehre in Hamburg und Paris studiert. Christian Wellbrock forscht und lehrt insbesondere zu den Themen Management und Ökonomik des digitalen Journalismus und Plattformökonomik. Seit 2022 ist er Mitglied der Jury der Wiener Medieninitiative.

Zum Stück: EUROTRASH

Eine impulsive Taxifahrt von Zürich in das Innere der Schweiz unternimmt der Schriftsteller und Dandy Christian Kracht mit seiner an beginnender Demenz leidenden, Wodka- und tablettenabhängigen Mutter. Sie hat sechshunderttausend zu verschenkende Franken in einer Plastiktüte, Heißhunger auf die berühmten Forellen in der Sihlmatt und ein unstillbares Verlangen, afrikanische Zebras und Alpen-Edelweiß zu sehen. Der spontane Roadtrip ist Selbstheilungsversuch und hoffnungslose Flucht zugleich, eine letzte Chance auf einen halbwegs normalen Umgang miteinander, weg aus der Familienhölle.

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Eurotrash

Akademietheater
Christian Kracht in einer Bearbeitung von Itay Tiran und Jeroen Versteele
Magazin #14: Träume

Trugbild und Erzählung

Burgtheaterstudio
Der Schweizer Autor Lucien Haug über sein Stück ÜBER NACHT und den Schaffensprozess. Premiere ist im Vestibül am 2. April 2023.

Fragebogen #6: EUROTRASH

Fragebogen
Wir luden den Universitätsdozenten Christian-Mathias Wellbrock zu einer Vorstellung von EUROTRASH ein. In unserem Fragebogen gab er seine Eindrücke wieder.

Kunst ist eine Form der Realitätsflucht

Bilder vom Theater
Das Gespräch mit Sophie Gogl führte Anne Aschenbrenner.

Spotlight: Luda Tymoshenko

Luda Tymoshenko war am Burgtheater bereits zweimal bei AUTOR*INNENTHEATER KYJIW zu Gast. Nun haben wir Sie für die Illustrationen für das BURGTHEATER MAGAZIN zum Thema TRÄUME gebeten.

Schreibweisen #6: Entfesselte Phantasie

Schreibweisen
Wie geht es Autor*innen am Schreibtisch? SABRINA ZWACH über das Schreiben für das Theater von HERBERT FRITSCH.

Meine Lieder sind Organe, die von der Welt träumen

Playlist
#5: Playlist mit Stücken, die Paul Plut zu seiner Musik für die Inszenierung von DAS FLÜSSIGE LAND inspiriert haben.

Ich habe nichts zu schaffen mit der Ruhe

Fundstück
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Über die eigenen Körper hinaus

Zur Lage im Iran. Von Mehdi Moradpour.

Editorial #14

von Anika Steinhoff & Victor Schlothauer
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