Fragebogen #5: Mit Jakob Lena Knebl in REICH DES TODES
Am 26. Oktober 2022 besuchte die Künstlerin Jakob Lena Knebl eine Vorstellung von REICH DES TODES – Rainald Goetz’ Stück über Demokratiezerstörung und den „Krieg gegen den Terror“ in Robert Borgmanns bildgewaltiger Inszenierung – im Akademietheater. Wir haben sie gebeten, ihre Eindrücke mit uns zu teilen.
WAS HABEN SIE ALS LETZTES GETAN, BEVOR SIE SICH AUF DEN WEG INS THEATER MACHTEN?
Ein frühes Nachtmahl zu mir genommen.
WAS HATTEN SIE AN?
Ein Sommerkleid im wärmsten Oktober seit Beginn der Aufzeichnungen.
IST IHNEN EIN BILD AUS DER INSZENIERUNG BESONDERS IM GEDÄCHTNIS GEBLIEBEN?
Als alle Darsteller*innen auf der Bühne waren und mit Schaufeln die Erde am Boden strukturierten, bis die Erde zu Gräbern wurde.
KÖNNEN SIE SICH AN IHREN ERSTEN GEDANKEN, IHR ERSTES GEFÜHL NACH VORSTELLUNGSENDE ERINNERN?
Ich hatte zu viele Gedanken.
WO HABEN SIE DIE ANSCHLÄGE VOM 11. SEPTEMBER 2001 ERLEBT?
Ich war im Café Anzengruber, als plötzlich die Szenen im Fernsehen zu sehen waren.
REIZT SIE DAS BÖSE IN DER KUNST?
Kunst kann ein Ort sein, der das Unbewusste, gesellschaftlich Ausgeschlossene sichtbar macht. Das reizt mich, wenn es klug gemacht ist und nicht nur der Provokation dient.
HABEN SIE SICH VOM THEATER VERSTANDEN GEFÜHLT?
Das ist eine schwierige Frage. Ich kann nur sagen, dass ich mich erinnert habe, wie wichtig analoge Orte der Begegnung und Auseinandersetzung sind.
ANGENOMMEN, SIE KÖNNTEN SICH EINE*N GESPRÄCHSPARTNER*IN WÜNSCHEN, UM ÜBER DEN ABEND ZU SPRECHEN, WER WÄRE DAS? WORÜBER WÜRDEN SIE SPRECHEN?
Die Journalistin Ingrid Brodnig, die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl, und gern auch jemand aus der Journalist*innengruppe bellingcat. In dieser Runde würde ich über Propaganda und radikale Konservative sprechen.
IST HISTORIE AUF DEM THEATER VERHANDELBAR?
Ja.
ZU WELCHEM ZWECK?
Wenn wir auf das Zeitgeschehen zurückblicken und dabei Kunst, die in den jeweiligen Phasen entstanden ist, ebenfalls heranziehen, haben wir die Möglichkeit, Ereignisse auf eine andere Art zu fühlen, durch Ästhetik wahrzunehmen.
Jakob Lena Knebl
1970 in Baden bei Wien geboren, studierte Mode an der Universität für Angewandte Kunst bei Raf Simons sowie Textuelle Bildhauerei an der Universität der bildenden Künste bei Heimo Zobernig. Sie war als Senior Artist an der Akademie der bildenden Künste tätig und ist seit 2021 Professorin für Transmediale Kunst an der Universität für Angewandte Kunst. 2017 verantwortete sie im mumok eine vielbeachtete Neuaufstellung der Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst, die sie gemeinsam mit eigenen, neu konzipierten Arbeiten und Mut zur Exzentrik präsentierte. Im gleichen Jahr wurde Jakob Lena Knebl vom Bundeskanzleramt der Outstanding Artist Award im Bereich bildende Kunst verliehen. Gemeinsam mit ihrer Partnerin Ashley Hans Scheirl bespielte sie 2022 den Österreichischen Pavillon bei der Biennale in Venedig.
Zum Stück
In REICH DES TODES beschreibt Rainald Goetz den 11. September als Initialzündung der gesellschaftlichen globalen Katastrophe, deren Auswirkungen wir in Gänze noch nicht zu überschauen in der Lage sind. Der zweifach – als Historiker und Mediziner – promovierte Goetz schreibt auch dieses Theaterstück als Wissenschaftler, als Struktur- und Zahlenfanatiker, schonungslos, unsentimental, analytisch und dabei dennoch in seiner ihm eigenen Atemlosigkeit und voller Witz.
Der Regisseur und Bühnenbildner Robert Borgmann schafft mit seinen Räumen bildgewaltige Verstärker für – insbesondere zeitgenössische – Texte. Mit Rainald Goetz hat sich Borgmann bereits ausgiebig beschäftigt, u. a. in seiner Inszenierung KRIEG am Berliner Ensemble.