„Darüber sprechen, bis man kotzen muss“

Am 24. Jänner 2020 feierte die Theateradaption von David Wnendts vielfach ausgezeichnetem Film KRIEGERIN Premiere im Vestibül des Burgtheaters. Ensemblemitglieder des Burgtheaters stehen gemeinsam mit Jugendlichen auf der Bühne – ein völlig neues Format. Wir haben die Jungschauspieler*innen und Alteingessesenen für das BURGTHEATER MAGAZIN gefragt, was Demokratie, Toleranz und Rechtsextremismus für sie und ihren Alltag bedeuten.

BURGTHEATERSTUDIO
© Lukas Beck

Ist die Demokratie in Gefahr?

Ich gehöre einer Generation an, die Krieg nie erlebt hat. In einer Demokratie zu leben ist für uns normal und natürlich – aber es ist nicht selbstverständlich. Ich weiß nicht, ob es so ist, oder ob ich es mir einbilde, aber diese "Politikverdrossenheit" mit der Meinung "das bringt doch alles eh nichts" nimmt zu. Und ein Wert wie Demokratie wird leichtfertig angegriffen. Ich hoffe sehr, dass nicht irgendwann ein mentaler Ruck durch unsere Gesellschaft geht, dieses Konstrukt "Demokratie" ernsthaft in Frage zu stellen. Das wäre verheerend.

(Wolfram Rupperti)

 

Unsere Verfassung ist nicht in Stein gemeißelt und daher muss man für sie kämpfen!

(Alex Kapl)

 

Letztens, noch vor der Wahl, hör ich meine Arbeitskolleg*innen ein wenig über Politik plaudern, woraufhin ich frage, ob sie denn schon wüssten, was sie wählen möchten? Alle schauen mich entsetzt an und eine sagt schließlich:

Na man kann eh nur die FPÖ wählen.

Auf meine Frage wieso keine andere Partei in Frage käme, hält eine andere Kollegin mir einen Vortrag, wie enttäuscht und geschockt sie darüber ist, dass Jugendliche wie ich ein Wahlrecht haben, weil wir ja so dumm sind und keine Ahnung haben, am liebsten wär ihr die Diktatur. In solchen Momenten erkenne ich die dunklen Seiten der Demokratie, weil ich mir den Unsinn anhören hab müssen.

(Merlin Miglinci)

Angst – Lebensgefühl und politischer Faktor

In meiner Heimatstadt Wien muss ich keine Angst vor Diskriminierung haben, ich bin weiß, hetero und privilegiert. Aber ich habe Angst. Angst vor der Zukunft, vor Intoleranz, Fremdenhass, Gewalt, Terror. Angst vor einer sich zu schnell erwärmenden Welt, die bald untergehen wird. Ich kenne auch andere Menschen, die ständig Angst haben. Angst um ihre Familie, die sich in Kriegsgebieten aufhält. Angst, die eigene Heimat nie wieder zu sehen, Angst vor den Taliban, Angst vor dem IS, Angst vor Rechtsradikalen, Angst vor Österreicher*innen.

(Charly Zorell)

 

Ich war 17 und besuchte mit Freunden ein Volksfest. Ohne ersichtlichen Grund ist auf einmal ein junger Mann mit Migrationshintergrund auf uns losgegangen. Später hatte mein Bruder eine ähnliche Erfahrung. Diese beiden Erlebnisse haben mich geprägt: Ich ertappe mich dabei, wie ich ein mulmiges Gefühl bekomme, wenn ich abends an Männern mit Migrationshintergrund vorbeigehe. Mein Privatleben haben diese Ängste aber nie kontrolliert. Mein Freund hat ukrainische Wurzeln und in meiner Tanz-Company zwischen all den verschiedenen Kulturen fühle ich mich mehr zuhause, als es in meiner Schulklasse in Niederösterreich je der Fall war.

(Hannah Mannsberger)

 

Angst macht unfrei. Und Panikmache beeinflusst unsere Wahrnehmung. Wir müssen politisch aufmerksam sein und uns von dem rauen politischen Klima und der Zurichtung von Fakten zu Bedrohungen nicht beirren lassen.

(Alex Kapl )

 

Wie viele meiner Generation habe ich Angst vor der Klimakatastrophe, vor falschen politischen Entscheidungen, die uns besonders treffen. Aber Angst sollte nicht lähmen, nicht Hass schüren, sondern befähigen und Kraft geben Probleme anzugehen. Angst und Sicherheit sind kein Gegenteil, nein, eher zwei koexistierende Zustände, die einen leiten und Energie geben können.

(Orlando Lenzen)

BURGTHEATERSTUDIO
Ensemble des BURGTHEATERSTUDIOS
© Lukas Beck

Rechtsextremismus in Österreich

Ich war lange Zeit in einem sehr rechten Freundeskreis. Da ich noch sehr jung war, war mir das gar nicht so sehr bewusst, es waren nun mal meine Freunde. Mit der Zeit war ich aber immer mehr mit unsinnigen radikalen Aussagen konfrontiert, die zu heftigen Diskussionen führten. Ich habe bemerkt, dass sich Aufregen und Schreien nichts bringt. Das Einzige, was man machen kann, ist ruhig bleiben, zuhören und im richtigen Moment die richtigen Fragen stellen.

(Victoria Azer)

 

Der Rechtsextremismus nimmt in ganz Europa zu. Rassistische Handlungen beginnen im Alltag bei unterschwelligen Bemerkungen. Da muss man eingreifen!

(Nikolaus Pfleger)

 

Mich hat erschreckt, mit welchen Mitteln Identitäre Werbung für sich machen, wie sehr sie Österreich für sich beanspruchen und einem das Gefühl geben wollen, dass man sich ihnen anschließen sollte, wenn man dieses Land und all seine Vorzüge schätzt. Es ist ein Grundproblem, dass man sich in Österreich nicht patriotisch zeigen möchte, weil dies sofort einen rechten Touch bekommt. Genau das heizen Identitäre mit ihren Videos weiter an.

(Kerstin Pichler)

 

Immer öfter kommt mir Brecht (Arturo Ui) in den Sinn: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Sie waren immer da und werden es schrecklicherweise immer sein ... und es werden mehr. Zuletzt saßen Rechtsextreme wieder in der Regierung. Die Einzelfälle häuften sich. Nur: man wusste, wer das ist. Aber der junge Kanzler hatte angeblich keine Ahnung, mit wem er da eine Koalition einging. Er hatte natürlich sehr wohl eine Ahnung. Aber ihm geht es um Macht, genauso wie seinen Gönnern. Ihm war jeder recht, der seinen Plänen nicht im Wege steht … Und hätte es „Ibiza“ nicht gegeben, hätte der Kanzler weiter weggeschaut. Rechtsextreme sind sehr gefährlich. Fast genauso gefährlich aber sind Politiker wie Kurz.

(Dunja Sowinetz)

Die Gedanken sind frei - aber haben dann auch die Rechten recht?

Gedanken können frei sein, nur sollten wir rechtsradikale und menschenverachtende Äußerungen nicht als Meinung bezeichnen, die es zu schützen gilt. Verkürzte Antworten auf komplexe Fragen, die Angst schüren und Minderheiten angreifen, sollten kein Recht haben. Um es mit Popper zu beantworten: Toleranz bedeutet nicht Intoleranz zu tolerieren.

(Johannes Ayrle)

Null-Toleranz oder Diskurs

Ich glaube es ist falsch, jemandem seine eigene Meinung aufzudrücken, aber die eigene Ansicht erklären kann manchmal auch schon kleine Wunder bewirken.

(Flora Egbonu)

 

Reden, reden, reden. Darüber sprechen, bis man kotzen muss. Zivilcourage zeigen.

(Charly Zorell)

Was macht mich so sicher, dass meine politische Meinung die richtige ist?

Manchmal vertreten Familienmitglieder Meinungen, die sich für mich nicht richtig anfühlen. Ich habe großes Grundvertrauen in meine Familie, weshalb es mir in solchen Situationen schwerfällt, mir einzugestehen, dass ich diese Meinung überhaupt nicht richtig finde. Deswegen macht es mir manchmal auch ein bisschen Angst, mich mit Politik auseinanderzusetzen: Ich habe Angst, dass eine Blase platzt und ich enttäuscht bin von den Menschen, die mir am wichtigsten sind.

(Alice Prosser)

 

Ich denke, dass das Umfeld eine tragende Rolle spielt und da mein Vater aus Nigeria kommt, mein Opa aus Marokko und meine Mama mit sehr vielen verschiedenen Nationalitäten zusammenarbeitet, war meine Kindheit sehr bunt und international. Das hat damals schon großen Einfluss auf mich ausgeübt. Heute sind es meine persönlichen Erfahrungen, Reisen, Momente, Gespräche.

(Flora Egbonu)

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