THEATER TRIFFT MUSEUM: Protokoll #1. Mit Safira Robens
Gemeinsam mit Wiener Museen startete das Burgtheater 2022 die Webserie THEATER TRIFFT MUSEUM, die von persönlichen Begegnungen von Burgtheaterschauspieler*innen mit Werken der bildenden Kunst erzählt. Im BURGTHEATER MAGAZIN erscheinen regelmäßig Protokolle ausgewählter Museumsbesuche.
In der ersten Folge begegnet Safira Robens, seit der Spielzeit 2021/22 im Burgtheater-Ensemble, einem alten Meister, mit dem sie sehr viel mehr verbindet als nur ein ähnlich klingender Nachname: Peter Paul Rubens. Das Burgtheater Magazin traf die 27-Jährige und den bald 445-Jährigen im Kunsthistorischen Museum.
#1: SAFIRA ROBENS & PETER PAUL RUBENS.
Ein Protokoll. Aufgezeichnet von Anne Aschenbrenner.
„Robens, wie der Maler nur mit O!”, so hat mein Vater unseren Namen immer am Telefon erklärt.”
Im Ruhrgebiet, wo ich geboren bin, ist Rubens sehr präsent, er stammt ja aus Siegen. Ich bin daher schon seit meiner Kindheit mit ihm vertraut und kannte auch Drucke von seinen Werken. Live habe ich die Gemälde aber erst in Wien gesehen. Ich war damals zum Vorsprechen für das Max Reinhardt Seminar in der Stadt und habe auf dem Hinweg in der Straßenbahn die Plakatwerbung für eine Rubens-Ausstellung bemerkt. Das Vorsprechen sollte um 8 Uhr stattfinden. Es gab so viele Bewerber*innen, dass wir in zwei Gruppen geteilt wurden. Da mein Nachname mit einem R beginnt, landete ich in der zweiten Gruppe. Ich hatte mich vorbereitet gefühlt, aber plötzlich kam die große Nervosität. Wie sollte ich zu Ruhe und Konzentration finden? Da erinnerte ich mich an das Plakat, es hing wirklich überall in der Stadt. Das Sujet zeigte das Selbstbildnis von Peter Paul Rubens. Über Rubens hatte ich gelesen, dass er einmal den Auftrag bekommen hat, irgendeinem Fürsten ein Selbstporträt zu schicken, und ich erinnerte mich, dass ihm das schwer gefallen war. Sich selbst darzustellen, noch dazu für eine Person hohen Ranges. Ein Selfie zu verschicken kam ihm wohl damals schon ziemlich bescheuert vor. Also sagte ich zu mir: Das guckst du dir jetzt an.
Museen sind Nicht-Orte. Wie bei einer Prozession geht man von Bild zu Bild und taucht in eine Geschichte nach der anderen ein. Als ich das Museum betrat, auf dem Weg zum Selbstbildnis, blieb mein Blick zunächst an einem ganz anderen Werk hängen. Das ist mir auch heute wieder passiert, als ich hereingekommen bin. Es ist unter vielen Titeln bekannt, hier heißt es „Die vier Flüsse des Paradieses”. Das Bild zeigt genau in der Mitte eine dunkelhäutige Frau mit einem Rubin auf der Stirn, ihr Blick ist den Betrachtenden zugewandt. Das hat mich an dem Tag meines Vorsprechens sehr berührt, und es berührt mich noch heute. So monokulturell, wie die bildende Kunst Europa immer darstellt, war es nie. Hier stand ich sehr lange und später dann nochmal eine ganze Weile vor Rubens Selbstbildnis, das heute einen Raum weiter hängt. Ich kann mich gut daran erinnern: Ich habe darüber nachgedacht, was es bedeutet, abgebildet zu werden und sich selbst abzubilden. Gerade beim Vorsprechen an der Schauspielschule geht es ja nicht nur darum, eine Figur darzustellen, sondern vor allem sich selbst … Wie sollte mein Selbstbildnis ausfallen, fragte ich mich. Und Rubens fragte ich: Wie hast du das gemacht? Das Selbstbildnis von Rubens ist ein sehr untypisches höfisches Selbstporträt geworden.
Ich habe beim Rundgang durch die Ausstellung auch viel an meine Rollen für das Vorsprechen gedacht, sie haben mich begleitet. Ilse aus „Frühlings Erwachen” von Frank Wedekind zum Beispiel hat gleich den Wald in Rubens Werken entdeckt und den ganz speziellen Lichteinfall darin beobachtet. Ich finde, Rubens ist ein sehr performativer Künstler. Überall sehe ich tänzerische Elemente, vieles scheint, als hätte er es einfach so ins Bild geworfen. Alles ist in Bewegung, obwohl die Bewegung natürlich schon seit Jahrhunderten feststeckt. Jeder einzelne Muskel dieser kleinen Engel erzählt von einer Bewegung. Ein Detail scheint eine ganze Weltanschauung zu beinhalten. Es ist fantastisch, was passiert, wenn man sich auf Kunst einlässt, wenn man darauf achtet, was sie in einem auslöst. Ich kann hier Stunden verbringen. Ich war sehr inspiriert, als ich zum Vorsprechen gefahren bin. Vor allem gelassen und ruhig.
Kunsthistorisches Museum Wien
Theater trifft Museum
Erste Lieben, auf die wir später manchmal mit Verwunderung blicken, treue Begleiter, Hasslieben oder sporadische Verliebtheiten: Wir begegnen ihnen, verlassen sie, kehren vielleicht zu ihnen zurück. Manchmal begegnen sie uns ganz unvermittelt. Vor allem sind sie immer da: Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die wir in Museen erleben.
Old Friends waren für Samuel Beckett Tizians „Ecce Homo” und Salomon van Ruysdaels „The Halt” in der National Gallery Dublin, Alte Bekannte, denen er bei jedem Aufenthalt wenigstens einen kurzen Besuch abstattete. Mit diesem Gedanken besuchen Schauspieler*Innen des Burgtheater-Ensembles ihr Lieblingswerk in einem leeren Museum und erzählen im Rahmen der Webserie „Theater Trifft Museum” von einer persönlichen Kunstbegegnung.
Mit Safira Robens, Elisabeth Augustin, Arthur Klemt, Robert Reinagl, Sylvie Rohrer, Peter Simonischek U. A.
Eine Serie von Anne Aschenbrenner & Philipp Hauß
Auf www.burgtheater.at und auf unserem YOUTUBE-KANAL