This is Venice (Othello & Der Kaufmann von Venedig)

Burgtheater
This is Venice (Othello & Der Kaufmann von Venedig)
© Matthias Horn

Auf dem Rialto, dem zentralen Markplatz der von Krisen geschüttelten Supermacht Venedig, ist die Hölle los. Intrigen werden gesponnen, Seilschaften geknüpft, Ehen besiegelt und Deals gemacht. Im großen Karneval um Macht, Geld und Handelsvorteile hat sich ein rissiges patriarchales System durchgesetzt, das auf der Unterdrückung der Frauen und dem strukturellen Ausschluss von Minderheiten basiert. Es gilt das Gesetz der Väter — und was nicht weiß, venezianisch und christlich ist, wird als das Andere markiert und von der Norm ausgeschlossen. So stabilisiert sich die Geld­ und Kriegsmaschine Venedig und übersteht eine Krise nach der anderen. Mehr noch: Sie vergrößert trotz ihres maroden Kerns ihren Reichtum und ihre Macht. In dem drohenden Krieg gegen die Türken, die bereits mit mehr als hundert Schiffen vor Zypern liegen und das Kolonialreich bedrohen, will sich ganz Venedig bewähren.

Die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen und die Bühnenbildnerin Muriel Gerstner haben die zwei großen Venedig­-Stücke von William Shakespeare in einer dramatischen Welt um den Rialto vereint. Da ist die berühmte Tragödie von Othello, dem schwarzen Feldherrn, der von dem diabolischen Einflüsterer Jago dazu verleitet wird, seine Ehefrau Desdemona aus Eifersucht zu erdrosseln. Die Tragödie trifft auf die Komödie Der Kaufmann von Venedig um den jüdischen Geldverleiher Shylock, der von der venezianischen Geldmaschine erst dringend benötigt und dann von ihr vernichtet wird.

"This is Venice", sagt Desdomonas Vater Brabantio, nachdem seine Tochter mit Othello durchgebrannt ist — "aber das hier ist doch Venedig " —, und bringt damit sein ungläubiges Entsetzen darüber zum Ausdruck, dass er als Vater in diesem Kampf mit der Tochter nicht das letzte Wort behalten hat. Spiegelbildlich zu Brabantios Schicksal steht Shylocks Verzweiflung angesichts der Flucht seiner Tochter Jessica vor seinem orthodoxen häuslichen Regime, um mit dem jungen Christen Lorenzo ein neues Leben zu beginnen.

Das besondere Augenmerk von Bronfen und Gerstner gilt der maroden patriarchalen und rassistischen Struktur von Venedig und der Hartnäckigkeit, mit der sich diese Geld- und Kriegsmaschine trotzdem immer wieder dem Untergang widersetzt. Wie funktionieren die Mechanismen von Ausschluss und Abwertung "des Anderen"? Welche Rolle spielen darin die Väter-Töchter-Beziehungen? Was geschieht, wenn der Krieg ausfällt und sich die Gewalt nach innen richtet? Und was wäre, wenn in diesem Venedig die Frauenfiguren – Desdemona, Emilia, Bianca, Portia, Nerissa und Jessica – das letzte Wort behielten?

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