DIESE INSZENIERUNGEN SOLLTEN SIE SICH NICHT ENTGEHEN LASSEN

Mit 7 Inszenierungen ist das Burgtheater beim NESTROY-Theaterpreis 2023 vertreten gewesen. Kennen Sie sie alle? Eine Nachschau.

Szenenbild aus karpatenflecken
© Marcella Ruiz Cruz

Am Sonntag, 5. November 2023, wird im Volkstheater Wien zum 24. Mal der Wiener Theaterpreis NESTROY überreicht und ein Gewinner steht sogar schon fest: Thomas Perle erhält für seinen Text KARPATENFLECKEN den Nestroy-Preis für das „Beste Stück“.

Für den Preis des Publikumslieblings können Sie noch bis zum 3. November beim ORF-III-Voting für Ihren Liebling der vergangenen Theatersaison abstimmen. 

Alle weiteren Nominierungen finden Sie hier.

Alle Nominierungen

Michael Maertens, Katharina Lorenz
Michael Maertens, Katharina Lorenz
© Andreas Pohlmann

#1 DAS WEITE LAND

Nominiert für den Nestroy als BESTE SCHAUSPIELERIN: 
Katharina Lorenz
 

Nominiert für den Nestroy als BESTER SCHAUSPIELER:
Michael Maertens

von Arthur Schnitzler

Regie: Barbara Frey
Mit: Michael Maertens, Katharina Lorenz, Bibiana Beglau, Tilman Tuppy, Dorothee Hartinger, Nina Siewert, Branko Samarovski, Sabine Haupt, Itay Tiran 

 

Zu Beginn von Schnitzlers Gesellschaftspanorama verstummt die Musik: Ein Pianist, der in der Villa des Glühbirnenfabrikanten Friedrich Hofreiter und dessen Frau Genia verkehrte, erschießt sich. Der Grund dafür gibt Anlass zu Spekulationen. Man vermutet, dass Hofreiter den jungen Musiker dazu aufgefordert hat, sich das Leben zu nehmen, nachdem er von dessen angeblicher Affäre mit Genia erfahren hatte. Doch Hofreiter behauptet, er hätte kein Problem mit einem Seitensprung gehabt. Im Gegenteil: Der „Macher“ und „Gründer“ der seriellen Produktion fordert Genia geradezu auf, fremdzugehen. In seinen Notizen skizziert Schnitzler, der Arzt und Diagnostiker seiner Zeit, den weiteren Verlauf in kurzen, präzisen Sätzen: „Seine Frau wird ihm schauerlich, todbringend. Er kann sie nicht mehr besitzen. Endlich wird er irrsinnig.“

Mit scharfem Blick seziert Schnitzler eine Gesellschaft, deren Expansionsdrang und Sucht nach Vergnügen zuvorderst stehen: Freundschaften dienen den Geschäftsbeziehungen und zur Befriedigung erotischer Sehnsüchte werden Hotelketten in die kahle Felsenlandschaft der Dolomiten gestellt. Dabei wirken Hofreiters Glühbirnen wie der ironische Kommentar einer vermeintlich aufgeklärten und hellen Welt. Die Gespräche der privilegierten Gesellschaft über Seitensprünge und Liebesabenteuer werden zu Seismographen einer Katastrophe, die nicht mehr aufzuhalten ist.

Trailer: DAS WEITE LAND
Inszenierungsfoto aus "Der Raub der Sabinerinnen"
Dorothee Hartinger, Birgit Minichmayr, Sabine Haupt
© Marcella Ruiz Cruz

#2 DER RAUB DER SABINERINNEN

Nominiert für den Nestroy als BESTE SCHAUSPIELERIN:
Birgit Minichmayr
 

Nominiert für den Nestroy als BESTE DARSTELLUNG EINER NEBENROLLE:
Dorothee Hartinger

von Franz und Paul von Schönthan in einer Fassung von Svenja Viola Bungarten & Anita Vulesica

Regie: Anita Vulesica
Mit: Birgit Minichmayr, Sabine Haupt, Dietmar König, Stefanie Dvorak, Lukas Vogelsang, Dorothee Hartinger, Rainer Galke, Julia von Hansemann, Annemarie Fischer

 

Professor Gollwitz, ein kleinstädtischer, mit finanziellen und häuslichen Sorgen kämpfender Gymnasialprofessor ist seiner geheimen Theaterleidenschaft verfallen. Als der Theaterdirektor Striese mit seiner Theaterwandertruppe zufällig in der Stadt gastiert, erfährt er, dass der Professor das Theaterstück DER RAUB DER SABINERINNEN vor seiner Frau in der Schublade versteckt hält. Der in allen Situationen schlagfertige Schmierentheaterdirektor Striese entlockt den Geniestreich dem sich zunächst weigernden Autor und bereitet seine Aufführung vor. Bevor das Stück das Licht der Bühne erblickt, kommt unterwartet die Frau des Professors aus dem Kurbad zurück, die Familienkatastrophe mit drohender Blamage nimmt ihren Lauf.

Franz und Paul von Schönthan schufen 1883 mit der Komödie über die Römertragödie und ihren einnehmenden Figuren ein Theaterdenkmal, das in die Geschichte einging. Der Theaterdirektor Striese wurde von vielen berühmten Film- und Theaterschauspieler*innen, u. a. Albert Bassermann, Rudolf Platte, Gustav Knuth, Gert Fröbe, Willy Millowitsch, Katharina Thalbach, Fritz Muliar und zuletzt am Burgtheater (1975) von Paul Hoffmann verkörpert. Mit pointierten Missverständnissen und vielen Verwechslungen gilt DER RAUB DER SABINERINNEN bis heute als bedingungslose Liebeserklärung an das Theater.

Teaser: DER RAUB DER SABINERINNEN
Lili Winderlich
Lili Winderlich
© Susanne Hassler-Smith

#3 DIE EINGEBORENEN VON MARIA BLUT

Nominiert für den Nestroy als BESTER NACHWUCHS:
Lili Winderlich

Nominiert für den Nestroy als BESTE REGIE: 
Lucia Bihler

Nominiert für den Nestroy für BESTE AUSSTATTUNG (KOSTÜME):
Victoria Behr

von Maria Lazar, Bühnenfassung von Lucia Bihler und Alexander Kerlin

Regie: Lucia Bihler
Mit: Stefanie Dvorak, Philipp Hauss, Jonas Hackmann, Robert Reinagl, Dorothee Hartinger, Lili Winderlich

 

Das idyllische Dorf Maria Blut mit seiner Wallfahrtskapelle liegt am Land, ein paar Zugstunden vor Wien. Die 1930er Jahre sind angebrochen, Dollfuß ist Bundeskanzler, und die Eingeborenen des „österreichischen Lourdes“ sind in Unruhe. Die vor dem Dorf gelegene Konservenfabrik hat schließen müssen. Der Unternehmer Schellbach versucht nun, die besorgte Bevölkerung dazu zu bewegen, in sein neues Produkt, die Raumkraft, zu investieren. Viele geben ihr letztes Erspartes dafür her. Als sich Schellbach jedoch mitten während des Volksfestes erschießt und seine Unternehmung scheitert, entwickelt sich in Maria Blut sofort eine ungeheure Dynamik: Die angeblich Schuldigen sind schnell ausgemacht – und für die wird es jetzt brandgefährlich.

Die Wiener Schriftstellerin Maria Lazar (1895–1948) gehört zu den hellsichtigsten literarischen Stimmen ihrer Epoche. In kurzen, packenden und sprachlich brillanten Szenen entwirft sie zwei Dutzend herrlich schräge Figuren, die am Vorabend des Nationalsozialismus zwischen Marienkult, Wunderglauben, Verschwörungstheorien und aufkommendem Ultranationalismus aufgerieben werden. 

Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft musste Maria Lazar über Jahre im Exil leben und unter Pseudonymen veröffentlichen – ihr umfangreiches Werk wird erst jetzt wiederentdeckt. DIE EINGEBORENEN VON MARIA BLUT, 1937 in Bertolt Brechts Exilzeitschrift DAS WORT teilabgedruckt, ist nach DER HENKER in der Spielzeit 2019/20 die zweite Inszenierung eines Lazar-Textes im Akademietheater. Regie führt Lucia Bihler, die zuletzt Thomas Bernhards DIE JAGDGESELLSCHAFT im Akademietheater auf die Bühne gebracht hat.

Trailer: DIE EINGEBORENEN VON MARIA BLUT
Inszenierungsfoto aus "Die gefesselte Phantasie"
Nils Hausotte, Laura Dittmann, Tim Werths, Johannes Deckenbach
© Matthias Horn

#4 DIE GEFESSELTE PHANTASIE

Nominiert für den Nestroy als BESTE DARSTELLUNG EINER NEBENROLLE: 
Tim Werths

von Ferdinand Raimund

Regie und Bühne: Herbert Fritsch
Mit: Arthur Klemt, Tim Werths, Maria Happel, Marcel Heuperman, Sarah Viktoria Frick, Elisa Plüss, Gunther Eckes, Markus Scheumann, Bless Amada, Tilman Tuppy, Sebastian Wendelin, Laura Dittmann, Johannes Deckenbach, Lenya Gramss, Nils Hausotte, Alexandra Schmitt

 

Man stelle sich eine Blumeninsel vor, wunderschön und friedlich, auf der alle Bewohner Dichter und Dichterinnen sind. Zu schön, um wahr zu sein, und so ist es auch in Raimunds Zauberspiel DIE GEFESSELTE PHANTASIE, das 1828 im Theater in der Leopoldstadt uraufgeführt wurde. Zwei böse Zauberschwestern kommen nämlich, um den schönen Frieden zu stören. Um die beiden zu vertreiben, müsste die Königin der Insel einem Orakel zufolge einen Partner heiraten, der ihrer würdig ist. Die Königin wiederum hat einen eigenen Willen und außerdem geschworen, nur einen Dichter zu ehelichen. Als sie versucht, den Konflikt mit den bösen Zauberschwestern gütlich zu lösen, verwüsten diese die Insel und alle Höflinge fliehen feige. Die Königin verkündet darauf, sie werde den heiraten, der ihr das schönste Gedicht schreibe, worauf die Zauberschwestern die Phantasie gefangen nehmen, damit niemand mehr ein Gedicht zustande bringe. Von da an nimmt das grotesk-phantastische Zauberspiel seinen irren Lauf.

Herbert Fritsch, der Spezialist für Komödien und eigene – nicht dramenbasierte – meist urkomische und phantasievolle Bühnenstücke, wird die Phantasie entfesseln. Am Burgtheater waren in den letzten Jahren u. a. DER EINGEBILDETE KRANKE und DIE KOMÖDIE DER IRRUNGEN zu sehen. Nun wagt sich der Theaterkünstler Fritsch erstmals an ein Zauberspiel von Raimund.

TRAILER: DIE GEFESSELTE PHANTASIE
Oskar Haag
Oskar Haag
© Matthias Horn

#5 WIE ES EUCH GEFÄLLT

Nominiert für den Nestroy als BESTER NACHWUCHS: 
Oskar Haag

von William Shakespeare
Deutsch von Jürgen Gosch und Angela Schanelec, in einer Fassung von Tina Lanik, Jeroen Versteele und dem Ensemble

Regie: Tina Lanik
Mit: Martin Reinke, Nina Siewert, Sabine Haupt, Andrea Wenzl, Lukas Vogelsang, Christoph Luser, Alexandra Henkel, Elisabeth Augustin, Charlotte Schwab, Oskar Haag, Tilman Tuppy, Martin Reinke, Dunja Sowinetz

 

Rosalinde, Tochter des alten Herzogs, verkleidet sich als Mann, um ihren in die Wälder von Arden verbannten Vater aufzusuchen und der Gewalt seines Bruders, des machtgierigen Autokraten Frederick, zu entgehen. Oder will sie dort vielmehr den ebenfalls verbannten und in Beziehungsfragen wenig erfahrenen Orlando zu einem Liebesspiel verführen? In der Rolle ihres Alter Egos „Ganymed“ gibt sie vor, Orlando zu lehren, wie er seine Verliebtheit in sie selbst, Rosalinde, überwinden könne. 

Mit WIE ES EUCH GEFÄLLT (1599) dichtete William Shakespeare die vielleicht entzückendste Beziehungskomödie aller Zeiten, mit einer immer noch ungewöhnlich vielschichtigen und faszinierenden Protagonistin als Dreh- und Angelpunkt. Das Stück scheint Billy Wilder, Woody Allen und Serien wie „Sex Education“ inspiriert zu haben. Sein Thema ist der Traum von der großen Liebe, die durch Zweifel, Unreife, Missverständnisse und gesellschaftliche Konventionen unerreichbar erscheint, aber im richtigen Moment zum Greifen nah ist. Ein sinnlicher Klassiker geprägt von farbenfrohen Figuren, aphrodisierender Sprache und überraschenden erotischen Funken. WIE ES EUCH GEFÄLLT spielt mit Fragen von Autorität und Anarchie, Subversion und Rollenspiel, Therapie und Selbst(er)findung – all das in einer Fantasiewelt der unerwarteten Wendung und der steten Verwandlung, in der alle aufgefordert sind, sich selbst und ihre Gegenüber immer neu zu betrachten.

Teaser: WIE ES EUCH GEFÄLLT
Branko Samarovski, Martin Schwab, Hans Dieter Knebel, Elisa Plüss, Maresi Riegner, Marko Jovanovic, Katharina Franzel
Branko Samarovski, Martin Schwab, Hans Dieter Knebel, Elisa Plüss, Maresi Riegner, Marko Jovanovic, Katharina Franzel
© Susanne Hassler-Smith

#6 ZWIEGESPRÄCH

Nominiert für den Nestroy für BESTE AUSSTATTUNG (BÜHNE): 
Mirjam Stängl

von Peter Handke

Regie: Rieke Süßkow
Mit: Hans Dieter Knebel, Elisa Plüss, Maresi Riegner, Branko Samarovski & Martin Schwab
 

Keine Regieanweisung, kein klar umrissener Ort. Stimmen, zwei. Zwei, die zusammenkommen und eine Unterredung führen – gemeinsam Theater spielen? Oder die Selbstbefragung eines Schreibenden, der mit der ihm eigenen Hochsensibilität und Aufmerksamkeit und dem beharrlichen Willen zum Wahren, Schönen, Guten all das noch einmal zu durchleuchten sucht, woraus sein Werk sich zusammensetzt? Ein, zwei alte Narren, kurz davor, von der Weltbühne abzutreten? Oder bezieht sich das titelgebende „Zwiegespräch“ auf das Geflüster eines Liebespaars auf dem Heuboden?

Das neue Stück des Literaturnobelpreisträgers Peter Handke erweist ihn als Stückeschreiber, dem es wie kaum einem anderen gelingt, aus der Stille und dem leeren Theaterraum mit seinen Worten Wirklichkeiten zu schaffen. Nach der von Zorn und Verständnis geprägten Fürbitte für einen jungen Selbstmörder in seinem letzten Stück ZDENĚK ADAMEC klingen in ZWIEGESPRÄCH scheinbar ruhigere Töne an. Eine Meditation über das Theater, über das Altern, über das Sterben; ein Stück über die stets anwesenden und immer mitreden-wollenden Geister der Ahnen, und dabei doch: eine radikale Überprüfung des eigenen Standpunkts, ein Plädoyer für das nicht bloße Beobachten, sondern Eingreifen in die Welt.

Die erstmals am Burgtheater inszenierende Regisseurin Rieke Süßkow widmet sich der Uraufführung von Handkes ZWIEGESPRÄCH mit einem besonderen Gespür für Musikalität und Körperlichkeit und einem frischen Blick, der zu Handkes Anspruch passt, sich poetisch stets neu zu erfinden.

Teaser: ZWIEGESPRÄCH
Inszenierungsfoto zu "karpatenflecken"
Elisabeth Augustin, Lena Kalisch, Stefanie Dvorak
© Marcella Ruiz Cruz

#7 KARPATENFLECKEN

Den Nestroy Preis in der Kategorie BESTES STÜCK erhält dieses Jahr Thomas Perle für KARPATENFLECKEN

von Thomas Perle

Regie: Mira Stadler
Mit: Elisabeth Augustin, Stefanie Dvorak, Lena Kalisch

 

Die Großmutter wurde im Königreich Rumänien geboren, ihre Schwester unter Reichsverweser Miklós Horthy in Ungarn, die Tochter kam in der Volksrepublik Rumänien zur Welt, die Enkelin kurz vor dem Ende der Sozialistische Republik Rumänien. Der Geburtsort ist dabei immer derselbe: Oberwischau in den Waldkarpaten im Norden Rumäniens, das Ende des 18. Jahrhunderts – einem Aufruf Maria Theresias folgend – von Siedlern aus dem oberösterreichischen Salzkammergut zur Salzgewinnung erschlossen wurde. Die Lebensgeschichten der Frauen, Nachfahren jener „teitschen“ Einwanderer und zeitlebens einer Minderheit zugehörig, fügen sich zu einem historischen Panorama, das vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Fall des Eisernen Vorhangs und den Hoffnungen auf ein besseres Leben im Westen reicht – ein Panorama, das mit einer innereuropäischen Migrationsbewegung beginnt und zwingend in die unmittelbare Gegenwart führt, in der neue Autokraten wie Viktor Orbán an der Macht sind. 

Thomas Perle, selbst 1987 in Oberwischau geboren und 1991 mit seiner Familie nach Deutschland emigriert, gewann mit KARPATENFLECKEN den Retzhofer Dramapreis 2019. Sein Drama erzählt auch von einer fast schon vergessenen Sprache: dem aus dem Altösterreichischen, Rumänischen, Ungarischen und Jiddischen amalgamierten und dennoch sehr vertraut klingenden Zipserisch.

NOMINIERT FÜR DEN NESTROY PUBLIKUMSPREIS
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Rainer Galke
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Oskar Haag
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Felix Kammerer
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