Fragebogen #3 zu: DIE ÄRZTIN
Am 23. Dezember 2021 besuchte Marie-Therese Hochwartner, Leiterin der Abteilung Sammlung und Vermittlung im mumok, die Voraufführung von DIE ÄRZTIN am Burgtheater. Wir haben sie gebeten, ihre Eindrücke mit uns zu teilen.
WAS HABEN SIE ALS LETZTES GETAN, BEVOR SIE SICH AUF DEN WEG INS THEATER MACHTEN?
Meine 2,5-jährige Tochter umarmt und ihr versprochen, dass wir bei nächster Gelegenheit gemeinsam ins Theater gehen.
WAS HABEN SIE ALS LETZTES GEDACHT, BEVOR DAS LICHT IM ZUSCHAUERRAUM ERLOSCH?
Ist mein Handy abgedreht!?
WORÜBER HABEN SIE WÄHREND DER VORSTELLUNG GELACHT?
Ich meine, ich habe an keiner Stelle gelacht, aber es gab einige Stellen, die mich verblüfft und viele, die mich bewegt haben.
UND GAB ES EINEN MOMENT, DER SIE BESONDERS GERÜHRT HAT?
Die unbedarfte Frage nach den beschrifteten Schubladen und worauf diese hindeuten.
THEATERSCHLAF IST KEINE SCHANDE. WAREN SIE WACH?
Von Anfang bis Ende gebannt, wie schon lange nicht mehr im Theater.
KÖNNEN SIE SICH AN IHREN ERSTEN GEDANKEN, IHR ERSTES GEFÜHL NACH VORSTELLUNGSENDE ERINNERN?
Positiv alarmiert. In der Inszenierung werden wesentliche gesellschaftspolitische Fragestellungen behandelt und das mit einem pulsierenden Ensemble. Hier wird Theater zu einem Ort akuter Gegenwart.
HABEN SIE ETWAS VERSTANDEN, DAS SIE VORHER NOCH NICHT VERSTANDEN HATTEN?
Den Nutzen einer exzellenten Krisenberater*in.
GAB ES EINE SZENE, DIE SIE SICH GERNE NOCHMAL IN DER WIEDERHOLUNG ODER IN ZEITLUPE ANSEHEN WÜRDEN?
Nein, nur viele, die ich ganz bewusst noch in mir nachhallen lassen möchte.
GAB ES EINE SZENE, DIE SIE GERNE GANZ SCHNELL WIEDER VERGESSEN WÜRDEN?
Ich möchte nichts vergessen. Die letzte Konfrontation zwischen der Ärztin und ihrer jungen Freundin ist klärend, allerdings in vielerlei Hinsicht schmerzhaft.
WENN SIE SICH EINE*N GESPRÄCHSPARTNER*IN WÜNSCHEN DÜRFTEN, UM SICH ÜBER DEN ABEND AUSZUTAUSCHEN, WER WÄRE DAS? HÄTTEN SIE SCHON EINE ERSTE FRAGE AN DIE PERSON?
Ich würde den Abend gerne gemeinsam mit Gabriele Possanner von Ehrenthal reflektieren. Ihre Erfahrungen, ihre fokussierte Zielstrebigkeit und beruflicher Werdegang erlaubten sicherlich eine bereichernde Diskussion der Inszenierung. Meine erste Frage wäre: „Vorurteile, Stereotype und Diskriminierung aufgrund geschlechtsspezifischer, religiöser, ethnischer oder anderer Zuschreibungen: Stellt sich das für Sie heute anders als damals dar?“ Possanner von Ehrenthal promovierte 1897 als erste Doktorin der Medizin an der Wiener Universität. Tatsächlich hatte sie ihr erstes Medizinstudium aber bereits 1894 mit einer Promotion in der Schweiz abgeschlossen. Anerkannt wurde es in Österreich erst nachdem sie alle Rigorosenprüfungen nochmals abgelegt hatte. Dies war nur einer von vielen Umwegen, die sie gehen musste, um ihren Wunschberuf ausüben zu können.
WAS BEDEUTET SPRACHE FÜR SIE?
Der Gebrauch von Sprache macht uns Menschen aus. Unsere Sprache kann vieles: klären, verlocken, verbinden und ausschließen, ausgrenzen, verletzen. Sprache formt Gemeinschaft oder setzt sie aus. Ich möchte mir dessen stets bewusst sein.
HABEN SIE NOCH EINE ANTWORT, FÜR DIE SIE HIER KEINE FRAGE GEFUNDEN HABEN?
Ja, eine direkte Auswirkung des Theaterbesuches auf meine Lebensrealität wird sein, gemeinsam mit dem Team des mumok über Synergien von Theater und Museen als außerschulische Bildungsorte substantieller Bedeutung in Zeiten der Coronakrise nachzudenken. Im Idealfall lesen Sie hier demnächst von einem kollaborativen Projekt für Jugendliche, das mumok und Burgtheater gemeinsam umsetzen.
Zur Person
Marie-Therese Hochwartner geboren 1983 in Wien, studierte Kunstgeschichte an den Universitäten Wien und Basel. Sie war für das historische Bildarchiv Imagno, das Fotomuseum Westlicht und den Fotoraum Wien tätig. Seit 2012 verantwortet sie die Archive und Nachlässe im mumok – Museum für moderne Kunst Stiftung Ludwig Wien, seit 2019 ist sie ebendort Sammlungsleiterin und verantwortet seit 2021 auch die Vermittlung im mumok.