LERNEN IST KEIN ORT, SONDERN EINE AKTIVITÄT
Für unsere Inszenierung MONSTER haben wir den Bildungsforscher Andreas Schleicher gefragt, inwiefern ein erfolgreicher Bildungsweg von Einkommen, Status und Bildungsniveau der Eltern abhängt und was verändert werden muss, um ein gerechtes Bildungssystem und gleiche Zukunftschancen für alle Kinder zu ermöglichen.
Nie zuvor hatten die, die gut gebildet sind, derart gute Lebenschancen wie heute, während gleichzeitig die Risiken für den Einzelnen und die Staaten, die am Übergang in die Wissensgesellschaft scheitern, ins Unermessliche wachsen. Ein Bildungssystem, das Schüler*innen aus begünstigtem sozialen Umfeld verheißt, sie seien talentiert, dürften aufs Gymnasium, würden später auf die Universität gehen, und dann Wissensarbeiter*innen werden; dem Rest aber sagt, sie sollten sich mit geringeren Leistungsanforderungen begnügen und dann später für die Wissensarbeiter*innen arbeiten, wird den Herausforderungen unserer Zeit nicht gerecht und lässt viel an Potenzial brachliegen.
In der Vergangenheit haben wir den sozialen Hintergrund und die kulturelle Vielfalt als Hindernis für Bildungserfolg betrachtet, heute geht es darum, dass wir das Potenzial, das in der Verschiedenheit der Lernenden liegt, nutzbar machen. Vielfalt ist nicht das Problem, sondern das Potenzial der Wissensgesellschaft. Lehrkräfte müssen erkennen, wie jeder anders lernt und in unterschiedlichen Phasen seines Lebens anders an Aufgaben herangeht. Sie müssen neue Wege der Bildungsvermittlung eröffnen, die dem Lernenden das Lernen näherbringen und seinen Lernfortschritt bestmöglich fördern. Lernen ist kein Ort, sondern eine Aktivität.
WEITERFÜHRENDE LINKS ZU KINDERBETREUUNG, FINANZIELLE BEIHILFEN, JOBS, AUS- UND WEITERBILDUNG, RECHTLICHE INFORMATIONEN ZUM FAMILIENRECHT
www.alleinerziehend.at • www.alleinerziehende.org
WOHNPROJEKTE, WORKSHOPS, BERATUNG FÜR ALLEINERZIEHENDE
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UNTERSTÜTZUNG BEI TRENNUNG, SCHEIDUNG ODER TOD NAHER BEZUGSPERSONEN
Ebenso muss es gelingen, die besten Lehrkräfte für die schwierigsten Klassen und Schulen zu gewinnen, in dem sie dort die besten Arbeitsbedingungen und die beste professionelle Unterstützung vorfinden. Wenn man die Karrieren nicht mehr nach dem Dienstalter, sondern an der Bewältigung sozialer Herausforderungen ausrichtet, hat man schon viel gewonnen. Das erklärt, warum in Ländern wie Estland, Japan oder Singapur die Kinder aus den 10 % sozial schwächsten Familien noch deutlich bessere Schulleistungen erbringen als die Durchschnittsschüler *innen in Österreich.
Mehr Chancengerechtigkeit erfordert auch, das Blickfeld über die akademischen Leistungen auf die soziale und emotionale Unterstützung der Lernenden zu erweitern. In erfolgreichen Bildungssystemen sind Lehrkräfte nicht lediglich Wissensvermittler*innen, sondern immer auch Coach, Mentor*in und Sozialarbeiter*in. Das, was Kinder aus der Pandemie mitnehmen, ist nicht die zusätzliche Hausaufgabe, sondern die Erinnerung an die Lehrkräfte, die in dieser schwierigen Zeit für sie da waren, die erkannt hatten, wer sie sind und wer sie sein wollen, und sie beim Erreichen ihrer Träume unterstützt haben. Die Zukunft braucht Lehrer*innen als Expert*innen, die Schüler*innen begleiten und dabei unterstützen, durch eigenständiges Denken und Handeln selbstständig und kooperativ zu lernen. Lernen selbst ist ein aktiver und sozialer Prozess, wen wir kennen, beeinflusst in entscheidender Weise, was wir wissen.
Es geht dabei auch darum, bessere Wege zu finden, um Erfolge für größere Chancengerechtigkeit anzuerkennen, zu belohnen und sichtbar zu machen, sowie alles zu tun, was möglich ist, um Innovationsträgern die Übernahme von Risiken zu erleichtern und neuen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen.
Erfolgreiche Bildungssysteme bieten dazu Lernorganisationen, in denen Lehrer*innen voneinander und miteinander lernen, mit einem professionellen Management sowie einem Arbeitsumfeld, das sich durch mehr Differenzierung im Aufgabenbereich, bessere Karriereaussichten und Entwicklungsperspektiven, die Stärkung von Verbindungen zu anderen Berufsfeldern und mehr Verantwortung für Lernergebnisse auszeichnet.
FAKTENCHECK
ALLEINERZIEHENDE IN ÖSTERREICH
Laut Statistik Austria gab es 2020 in Österreich 162 000 Alleinerziehende (88,2, % Mütter und 11,8% Väter). Sie hatten die Sorgepflicht für etwa 238 100 Kinder unter 25 Jahren. Die ÖPA (Österreichische Plattform für Alleinerziehende) geht davon aus, dass 45% der Alleinerziehenden von Armut und/oder Ausgrenzung betroffen sind. 59 000 (36%) der minderjährigen Kinder von Alleinerziehenden bekommen gar keinen Geldunterhalt, Unterhaltsvorschuss und auch keine Halbwaisenrente. Rund 44 000 Kinder (27%) haben keinen Anspruch auf Unterhaltszahlungen. Etwa die Hälfte der Kinder beziehen nicht mehr als 250 Euro pro Monat. Damit liegen die finanziellen Möglichkeiten von Alleinerziehenden für ihre Kinder sehr früh unter dem Regelbedarf. Nach der Arbeit, zur Sicherung des Lebensunterhalts, sind sie, wenn keine Familie in der Nähe wohnt oder der Babysitter zu teuer ist, für die Betreuung der Kinder zuständig. Können ohne Kind kaum etwas unternehmen und sind daher oft sozial isoliert. Die Schwierigkeiten der Erwachsenen übertragen sich häufig auf das Kind, so dass es mit benachteiligten Startbedingungen in die Zukunft geht.
Andreas Schleicher
ist Statistiker und Bildungsforscher. Ab 1995 entwickelte er das von der OECD durchgeführte Programme for International Student Assessment, bekannt als Pisa-Studie. Als OECD-Bildungsdirektor initiierte und beaufsichtigt er Programme, um Bildungspolitiken und -praktiken zu verbessern und zu transformieren.