„Ein irrsinniger Mehrwert für die Gesellschaft“
mit Markus Goldsteiner über dicke Mauern, Rosenduft und „Greenwashing“
Burgtheater, Akademietheater und Kasino am Schwarzenbergplatz sind aus seiner Sicht erst einmal alte Gebäude mit sehr speziellen Anforderungen. Seit 2017 leitet Markus Goldsteiner das Energiemanagment der österreichischen Bundestheater und versucht, den Komfort für die Zuschauer*innen und den Denkmalschutz mit dem Erhalt der Gebäude und möglichst raschen und effizienten Energiesparmaßnahmen zu verbinden. Ein Gespräch über dicke Mauern als Wärmespeicher, Lüftung mit Rosenduft und „Greenwashing“.
Das Gespräch, geführt von Sebastian Huber und Maike Müller, erschien im Burgtheater-Magazin #4 NATUR im März 2020.
Wenn man das Burgtheater nach Klima- und Energieaspekten als Betrieb begreift, wie könnte man diesen Betrieb genauer beschreiben? Im Vergleich zu einer, ziehen wir ein klassisches Beispiel heran, Knopffabrik?
Da das Burgtheater eben genau das ist, ein Theaterbetrieb, gibt es grundsätzliche Unterschiede zu einer produktions- und produktorientierten Knopffabrik. Der Energieverbrauch in einem Theaterbetrieb setzt sich aus dem Vorstellungsbetrieb, der Produktion und dem Tagesverbrauch zusammen, wobei letzterer den täglichen Bürobetrieb und den Komfort der Zuschauer*innen meint. Man würde denken, dass der Vorstellungsbetrieb den größten Energieverbrauch beansprucht, tatsächlich ist es aber der Tagesbetrieb. Der Tagesgrundverbrauch wiederum setzt sich zusammen aus der Heizenergie, die benötigt wird, um die dicken Mauern zu beheizen, daneben gibt es eine ausgeklügelte Lüftungstechnik. Die Kombination aus Tagesgrundverbrauch und dem Energieverbrauch des Vorstellungsbetriebs und der Produktion in den Gewerken führt zu einem Energieverbrauch von sechseinhalb Gigawattstunden der gesamten Burgtheater GmbH. Nach Berechnungen aus dem Jahr 2016 beträgt der Anteil der österreichischen Bundestheater am Gesamtenergiebedarf von Wien damit 0,08%. Das ist schon sehr viel. Die österreichischen Bundestheater erstrecken sich über rund 188.000 m² Nutzfläche, davon sind rund 134.000 m² beheizt. Das sind gegenüber der Gesamtfläche der Stadt von 414.600.000 m² nur 0,03%. Das führt uns vor Augen, welch große Auswirkung die Maximierung der Energieeinsparung der österreichischen Bundestheater hat.
Wenn Sie sich vor diesem Hintergrund vorstellen sollten, wie das Burgtheater aus Sicht der Energieeffizienz idealerweise aussehen würde, was wäre Ihre Wunschvorstellung? Anders gesagt, stellen Sie sich vor, Sie arbeiten noch 100 Jahre hier und können jede Maßnahme umsetzen, die Sie sich wünschen, wie würde das Burgtheater nach dieser Frist aussehen?
Mein erster Wunsch wäre, dass die Substanz des Gebäudes erhalten bleibt. Natürlich ergänzt durch die technischen Optimierungen, die in den nächsten 100 Jahren möglich sein werden! Ich möchte, dass der Schatz, der uns zur Verfügung gestellt wurde, um Kunst in die Welt zu tragen, die nächsten 100 Jahre äußerlich genauso bestehen bleibt. Wenn die Substanz des Hauses erhalten werden kann, hat das nicht nur aus künstlerischer Sicht, sondern auch aus technischer Sicht einen irrsinnigen Mehrwert für die Gesellschaft.
So ein altes Gebäude wie das Burgtheater hat auch viele Vorteile. Durch die dicken Wände hat das Burgtheater eine enorme Wärme-Speichermasse, die heutige Gebäude nicht haben.
Wie schön, dass Sie so positiv über das alte Gebäude Burgtheater sprechen. Ist das nicht eigentlich ein heikles und kompliziertes Thema? Gerade die Abstimmung zwischen Energieeffizienz und Denkmalschutz?
Ja, sicherlich. Zum Beispiel ist das Gebäude nicht überall dicht. Aber bereits der Austausch von Fenstern stellt bei einem denkmalgeschützten Gebäude natürlich ein Problem dar. Man muss auf Dauer eben ein System entwickeln, wie mit diesen Besonderheiten umgegangen wird. Einstweilen dichten wir die bestehenden Fenster so gut es geht ab. Das ist eine relativ einfache Maßnahme, die nur geringe Kosten verursacht und sofort Energie spart. Gleichzeitig hat so ein altes Gebäude aber auch viele Vorteile. Durch die dicken Wände hat das Burgtheater eine enorme Wärme-Speichermasse, die heutige Gebäude nicht haben. Das ist das „Batterie-Thema“, das uns in vielen Bereichen beschäftigt, also die Frage: Wie speichere ich Energie? Wenn es uns gelingt, die Wärme vom Sommer einzuspeichern, dann muss im Herbst nicht so früh geheizt werden. Dazu müssen wir die Dichtheit und Dämmung des Gebäudes optimieren und die Lüftung intelligent steuern: Dafür gibt es die Klimazentrale, die sehr gute Arbeit leistet, und gezielt die Lüftung in einem ausgeklügelten System steuert.
Können Sie von vergangenen oder zukünftigen Projekten erzählen und uns einen Einblick geben, wie die Dämmung eines denkmalgeschützten Gebäudes funktioniert?
Ein Beispiel einer gelungenen Maßnahme in diesem Bereich aus jüngster Zeit ist die Dämmung der Geschossdecke des Akademietheaters. Das ist visuell überhaupt nicht sichtbar, aber dadurch wird jetzt und in Zukunft viel Energie eingespart. Im Burgtheater prüfen wir gerade, ob und wie die Feststiegen gedämmt werden können. Das hätte den Vorteil, dass im Winter nicht so viel Energie verheizt wird, da nicht mehr so viel Energie aus dem Dach austreten würde; im Sommer würde die Überhitzung im ganzen Burgtheater eingedämmt werden, die sich über die Dach- und Fensterflächen im Gebäude verbreitet.
Wir suchen nach Lösungen, die das Gebäude nicht „verschandeln“.
Dieses Projekt wird gefördert durch eine Studie vom Bundeskanzleramt: Wir arbeiten mit Gemäldespezialist*innen vom Denkmalamt zusammen, um zu prüfen, wie im Zuge dieser Dämmung die Klimt-Gemälde noch besser geschützt werden können. Hier zeigt sich wieder das Zusammenspiel von Maßnahmen zur Energieeinsparung mit dem Erhalt der Gebäudesubstanz. Ein weiteres wichtiges Thema, welches den Zusammenhang zwischen Energieeinsparungen, Komfortsteigerung für die Zuschauer*innen und Fragen des Denkmalschutzes veranschaulicht, ist die Klimatisierung. An diesem Projekt arbeiten wir schon seit 2010: In verschiedensten Studien wird seitdem ausgearbeitet, wie man mit einer Kombination aus aktiver Kühlung durch Geräte, die einen Mehrverbrauch an Energie benötigen, und aus passiver Kühlung, also zum Beispiel Abschattung, eine Abkühlung der Gebäude erzielen kann. Gerade das Thema Abschattung ist allerdings aufgrund des Denkmalschutzes sehr schwierig, also suchen wir nach Lösungen, die das Gebäude nicht „verschandeln“.
Könnte man, indem man solche Maßnahmen immer weiter intensiviert und optimiert, aus dem Burgtheater irgendwann einen „grünen Betrieb“ machen?
Das Konzept „grüner Betrieb“ im Sinne von CO2-Neutralität ist recht schwierig, da keine Einigkeit über die Begriffsdefinition herrscht. Wenn man kein reines „Greenwashing“ betreiben will, dann ist es in der Innenstadt mit den begrenzten Möglichkeiten, selbst lokal Strom zu gewinnen, meiner Meinung nach nicht möglich, einen Theaterbetrieb so grün zu machen, dass er wirklich CO2-Neutral ist. Aber natürlich können Photovoltaikanlagen eine große Unterstützung sein.
Letztlich spielt bei uns aber die Reduzierung des Energiebedarfs weiterhin die größte Rolle. Und da können wir auf richtige Erfolge verweisen: So haben wir seit 2014 10% Energieeinsparungen generieren können. Das ist eine enorme Größe. Von 2018 auf 2019 haben wir 2 %, und allein im letzten Jahr 2,3% eingespart. Da wir an der ständigen Anlagenoptimierung arbeiten, ist das eine Entwicklung und Steigerung, die uns extrem freut. Es wird ja in allen Bereichen auch immer weiter geforscht, die sich dadurch bietenden Möglichkeiten wollen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten – natürlich auch der finanziellen Möglichkeiten unbedingt nutzen. Vor kurzem habe ich zum Beispiel gelesen, dass mittlerweile völlig transparente Photovoltaik-Anlagen in der Entwicklung sein sollen. Was gäbe es Schöneres, als das Theater mit einer transparenten Fläche zu überziehen und dabei Energie zu generieren. Das kommt auf meine Wunschliste für die nächsten 100 Jahre!