Die Idee des Nullpunktes
Das Burgtheater hat die Künstlerin Elín Hansdóttir als Bühnenbildnerin für Thorleifur Örn Arnarssons Inszenierung von Shakespeares DER STURM eingeladen. Für das Burgtheater Magazin schuf die interdisziplinär arbeitende Isländerin inspiriert von der Probenarbeit ein weiteres Kunstwerk. Ein Gespräch vor Arbeitsbeginn über Theater, Extreme und das Wetter.
Anne Aschenbrenner: Frau Hansdóttir, Sie haben an der Iceland Academy of Arts studiert. Ihre Werke waren u. a. im Hamburger Bahnhof, im ZKM Karlsruhe oder bei der Marrakech Biennale zu sehen. Sie stellen in der National Gallery of Iceland aus und soeben haben Sie im Reykjavík Art Museum eine Ausstellung eröffnet. Hauptsächlich sind Sie also in der bildenden Kunst daheim und doch sind Sie nun am Burgtheater gelandet. Wie ist das passiert?
Elín Hansdóttir: Eine gute Frage. Ich liebe das Bauen! Ich bin in einer Werkstatt aufgewachsen, mein Vater ist Geigenbauer und hat mir schon als Siebenjährige beigebracht, wie man eine Bandsäge benutzt. Als Teenager habe ich am Wochenende in einer Galerie in der Nachbarschaft gearbeitet und mich deshalb schließlich für die Kunsthochschule beworben. Im Studium habe ich mich nie nur für ein einziges Medium interessiert und das ist so geblieben: Ich arbeite mit Fotografie und Installationen, mit Film, Sound und Licht. Deshalb fühle ich mich auch dem Theater verbunden. Installationen sind nichts anderes als Bühnenbilder! Mein erstes Bühnenbild habe ich vor zehn Jahren am isländischen Nationaltheater gemacht, das hat sich ganz natürlich angefühlt. Nun hat Thor mich für STURM gefragt.
Was erzählt DER STURM für Sie?
Es ist die Geschichte von Prospero, dem früheren Herzog von Mailand, der von seinem Bruder Antonio gestürzt und auf einem Boot ausgesetzt wird, das auf einer Insel strandet. Was ich an dieser Ausgangslage so spannend finde, ist die Idee des Nullpunktes, eines Ortes, wo noch nichts ist, aber alles sich entwickeln kann. Das ist ein Möglichkeitsraum, der mich als bildende Künstlerin und Bühnenbildnerin reizt. Wir haben eine Welt, die etabliert ist und eine Geschichte hat, und dann diese Insel, wo alles noch offen ist. Beim Lesen hatte ich sofort Bilder im Kopf.
Es ist die unsichtbare Kraft des Wetters, die auch die Charaktere auf der Bühne beeinflusst.
Welche denn?
Ich dachte ans Licht und ans Wetter. Ich bin Isländerin. Das Wetter ist ein großes Thema bei uns. Es ändert sich alle zehn Sekunden. In einer Minute hat man einen so starken Wind, dass man fast nicht stehen kann, und dann scheint die Sonne, dann wechseln Schnee und Regen einander ab oder Nebel taucht auf. Es gibt auch eine Zeit im Jahr, in der es gar nicht hell wird. Das alles beeinflusst uns sehr. Ich denke wir Isländer*innen haben so etwas wie ein inneres Wetter. Diese Bilder, die in meinem Kopf entstanden sind, hatten zunächst vor allem damit zu tun. Es ist die unsichtbare Kraft des Wetters, die auch die Charaktere auf der Bühne beeinflusst.
Haben Sie schon eine Idee für das Bühnenbild mitgebracht?
Ich arbeite eng zusammen mit Karin Briem, die das Kostüm macht, und wir versuchen einen Weg zu finden, der Kostüm und Bühnenbild miteinander vereint. Für sie ist Upcycling von Kostümen sehr wichtig, und diese Idee werde ich auch für das Bühnenbild nutzen. Wichtig ist mir vor allem, dass wir nicht den Text illustrieren. Bühne und Kostüm müssen eine zweite Sprache sein, die dann mit der des Textes und der Schauspieler*innen zusammenfließt, die aber selbst auch etwas Neues hervorbringt.
Und für das Burgtheater Magazin möchten Sie auch noch ein Werk schaffen?
Ja! Obwohl ich dazu noch keinen Plan habe. Ich denke an Fotografie. Wissen Sie, wir Isländer*innen gehen immer ins Extrem. Wenn wir trinken, trinken wir viel. Wenn wir Geld ausgeben, geben wir viel aus. Wenn wir arbeiten, arbeiten wir viel. Wie lange habe ich Zeit? Fünf Tage? Kein Problem!