Ineinander Verhakt
Wir haben die Malerin Xenia Hausner zu den Proben von MARIA STUART eingeladen und sie gebeten, sich künstlerisch mit der Inszenierung auseinanderzusetzen. Hausner, die fast ausschließlich Frauen malt, hat sich in ihrer Arbeit auf die beiden Schauspielerinnen Bibiana Beglau und Birgit Minichmayr konzentriert, die in Martin Kušejs Inszenierung Elisabeth und Maria Stuart spielen.*
Wichtig ist für mich das Innenverhältnis von Elisabeth und Maria Stuart, die so ineinander verhakt sind, beide stark und so unterschiedlich. In ihrer Einsamkeit sind sie total miteinander verbunden.
A A: Frau Hausner, der Bogen vom Theater zur bildenden Kunst ist bei Ihnen ja auch ein biografischer. Sie haben in Wien und London Bühnenbild studiert und waren lange als Ausstatterin tätig, auch am Burgtheater. Als nun die Einladung zu MARIA STUART kam, was ging Ihnen da durch den Kopf?
X H: Ich war gleich sehr begeistert. Diese beiden starken Frauen in MARIA STUART, das trifft den Kern meiner Arbeit. Ich male sehr viele Frauen, eigenartige, starke, selbstständige, kritische oder hinterfragende Frauen. Ich habe gleich spontan zugesagt.
A A: Sie sind bekannt dafür, Fotos als Grundlage zu nehmen und Szenen in Ihrem Atelier nachzubauen. Bei diesem Projekt hatten Sie es allerdings bereits mit einer fast fertigen Inszenierung zu tun. Wie sind Sie vorgegangen?
X H: Ich mache immer zuerst Arbeitsfotos und überlege mir dann, wie ich eine Situation ins Bild setze, wie das in der Komposition ausschaut. So habe ich es auch hier gemacht – und zwar ganz unabhängig von der Inszenierung. Ich war natürlich total interessiert, zu den Proben zu gehen und dann in der Folge dort auch Fotos zu machen. Es war wenig Zeit, es waren ja schon die Endproben. Ich habe überlegt, wie ich mein Bild anlegen werde. Meine Bilder sind ja nicht das klassische Szenenfoto. Ein Theaterfotograf macht bei einer Probe Fotos, die kommen dann in das Programmheft und stellen reale Szenen dar. Mein Bild hat aber eine eigene Wahrheit und irgendwie vielleicht auch die Wahrheit des Stücks – hoffentlich.
A A: Welche Wahrheit ist das? Welche Geschichte erzählt MARIA STUART für Sie?
X H: Die Geschichte zweier Frauen, die miteinander verbunden sind, die unterschiedlich sind, die verwickelt sind. In dieser Gegensätzlichkeit versuche ich das zu zeigen. Ein wichtiger Faktor ist für mich das Innenverhältnis der beiden, die so ineinander verhakt sind, beide stark und doch so unterschiedlich. In ihrer enormen Einsamkeit sind sie total miteinander verbunden. Einsamkeit spielt in meinem Werk eine Rolle, viele Figuren sitzen bei mir in den Bildern statisch oder kontaktlos zu den anderen. Und bei MARIA STUART finden wir genau das.
A A: Sie malen die Gesichter der Figuren oft voneinander abgewandt, aber man hat das Gefühl, sie sind doch auch einander zugewandt.
X H: Sie sehen sich sozusagen von der Seite an, sind in Kontakt zueinander und doch jede für sich.
A A: Was fasziniert Sie an den beiden Figuren von Schiller?
X H: Die eine, Elisabeth, ist eine kühle Strategin, und die andere, Maria, ist impulsiver, das kommt auch im Stück heraus. Elisabeth ist ja schon ein Spezialfall, eine Frau, die sich sehr schlecht entscheiden konnte und alle damit wahnsinnig gemacht hat. Gleichzeitig war sie eine grandiose Herrscherin, sie hatte ja eine Merkel-mäßige Standfestigkeit, war gegen das Kriegführen. Es ist ja wurscht, wie es im richtigen Leben war, dramatisch ist das total interessant.
A A: Sie haben für Ihre Arbeit Teile des Bühnenbilds nachgebaut?
X H: Genauso wie immer: Wir bauen funktionelle Attrappen, die wir situativ brauchen für bestimmte Bilder. Man sieht es ja hinter mir hier, wir können das Atelier abdunkeln, können Scheinwerfer aufstellen, Gegenlicht herstellen oder die Glühbirne aus der Inszenierung aufhängen. Das Licht ist bei meiner Arbeit etwas ganz Wichtiges. Ich liebe diese Caravaggio-Situationen, viele meiner Bilder greifen das Hell Dunkel auf. Auch Nachtbilder mit einem starken Gegenlicht. Und auch da kommt mir die Inszenierung entgegen, die Lichtsituation hätte ich mir genauso gewünscht. Das haben wir versucht, hier zu rekonstruieren. Jetzt müssen sie halt noch kommen, die beiden.
A A: Sie haben Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau ins Atelier eingeladen?
X H: Ja. Einmal ist für mich zwar so gut wie nichts, aber sie sind ja viel beschäftigte Schauspielerinnen. Ich versuche jetzt der Situation zu folgen und das Bild in schnelleren Schritten als gewöhnlich zu entwickeln. Sie sitzen dann hier im Kostüm (zeigt auf ein Podest hinter sich).
A A: Haben Sie Lust bekommen, künftig wieder für das Theater zu arbeiten?
X H: Ich weiß nicht. Ich mach mir ja mein eigenes Theater! Ich habe mit dem André Heller voriges Jahr DER ROSENKAVALIER in Berlin gemacht. Das war eigentlich das erste mal, dass ich nach 25 Jahren wieder Bühnenarbeit gemacht habe. Und ich habe das Feld vorgefunden, wie ich es verlassen hatte – nur geldloser. Die Geldsorgen, die Abspeckung der Mittel, ich finde das merkt man im Theater auch oft ästhetisch. Man sagt immer: Für eine tolle Idee, da brauchts gar kein Geld. Das halte ich für einen frommen Wunsch, weil tolle Ideen brauchen oft auch Geld. In Österreich und Deutschland sind wir dabei eh noch Luxushaserln.
Die Türe hinter mir zuzumachen und ein autistisches Leben führen mit dem Bild, das ist für mich die ultimative Freiheit.
A A: Was lieben Sie so am Theater?
X H: Das tollste am Theater ist der Live-Kick, das Unwiederholbare. Die Einmaligkeit des Augenblicks, der Funke, der überspringt. In der bildenden Kunst ist es langlebiger, wenn man so will. Da ist der Augenblick nicht alles. Man kann das Kunstwerk immer und immer wieder in sich einsickern lassen.
A A: Was ist für Sie das Reizvolle an der bildenden Kunst?
X H: Das Atelier! Das Tür zumachen und ein autistisches Leben führen mit dem Bild, das ist für mich die ultimative Freiheit. Und ich halte das auch für ein absolutes Privileg. Das Theater ist ein Gemeinschaftsprozess, ein vielstimmiger Chor aus Schauspieler*innen, Regisseur*innen, Techniker*innen – wer da alles mitredet! Das muss man auch mögen. Wenn man eine Idee im Kopf hat und diese verfolgen will, dann ist man vielleicht besser mit sich allein aufgehoben. Etwas alleine zu machen, mich mit keinem Kollektiv abstimmen zu müssen, zu wissen, ich erfinde etwas und ziehe das durch, das hat etwas Befreiendes.
A A: Was verbinden Sie mit dem Burgtheater?
X H: Meine Jugend. Mein erster Job nach dem Studium an der Akademie war Ausstattungsassistentin am Burgtheater. Mein Vater war überglücklich! Da war ich dann ein paar Jahre. Eine junge Frau hat die Menschheit damals nur beim Kostüm ertragen, aber ich war für das Bühnenbild da. Ich bin in der Schlosserei herumspaziert, und dann haben die einem noch auf den Arsch geklopft und gesagt: Schau Kinderl, davon verstehst du eh nichts. Aber ich habe mir gedacht: du Trottel – und versucht, meine Agenda des Tages durchzusetzen. Wir reden hier von den 1970ern. Die Empörung von heute hat damals noch gefehlt, weil das damals noch nicht feministisch genug unterfüttert war. Die Lage hat sich heute schon verbessert, aber wir dürfen uns nicht zufrieden zurücklehnen.
Xenia Hausner
geboren 1951 in Wien ist Malerin und Bühnenbildnerin. Sie lebt und arbeitet in Wien und Berlin. Zuletzt war die umfassende Retrospektive „Xenia Hausner. True Lies“ in der Wiener Albertina zu sehen.