Editorial #16

Lesedauer 3 Minuten

von Andreas Karlaganis & Markus Edelmann

Protestdemo der Elementarpädagog*innen
© Irina Gavrich

Verehrtes Publikum!

„Dass die Würde des Menschen angetastet ist, ist kein Phänomen des Jahres 2023“, betonte Michel Friedman im Rahmen der Burgtheater-Podiumsdiskussion AUFWACHEN, BEVOR ES WIEDER FINSTER WIRD, um auf die Bedrohung gesellschaftlicher Minderheiten aufmerksam zu machen: „Wer jüdisch war, hat in diesem und in anderen Ländern immer sehr in Gefahr gelebt.“ Wurde in der Podiumsdiskussion, die zum Spielzeitauftakt am 10. September 2023 stattfand, der Rechtspopulismus als Gefahrenquelle fokussiert, so zeigt sich mit Blick auf die Ereignisse seit dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023, dass der Antisemitismus leider ein darüber hinausgehendes gesellschaftliches Phänomen darstellt. Friedmans Überzeugung, dass sich jetzt entscheidet, „was uns Demokratie wirklich noch wert ist“ und dass wir als „Zeugen unserer Zeit“ nun aufgefordert sind, „unsere Aufträge zu erfüllen“, steht heute in einem neuen Kontext.

Verletzung der Menschenwürde und gesellschaftliche Ausgrenzung, Machtmissbrauch und Manipulation durch Sprache, gewaltvolle Durchsetzung politischer Ziele und Antisemitismus, aber auch feministische Weltentwürfe und Möglichkeiten des Widerstands – das sind Themen zahlreicher Produktionen dieser Spielzeit. Diese Ausgabe unseres Magazins widmet sich dem Protest gegen unterschiedliche demokratiefeindliche und autoritäre Tendenzen in unserer Gesellschaft. Ferdinand Schmalz, Autor der HILDENSAGA, schreibt über gestrige und heutige „Mannosphären“. Der Regisseur Daniel Kramer entdeckt in Peter Handkes KASPAR Spuren seiner Jugend im konservativen amerikanischen Bible Belt. Als literarisches Fundstück wird ein Text von Robert Walser präsentiert, der Georg Büchners Flucht darstellt, nachdem dieser die revolutionäre Flugschrift „Der Hessische Landbote“ veröffentlichte. In einer kürzlich gehaltenen Rede fragt Nino Haratischwili, Autorin von PHÄDRA, IN FLAMMEN, was Literatur der Welt von heute entgegensetzen kann. Der Journalist und Podcaster Andreas Sator besuchte eine Vorstellung von DIE NEBENWIRKUNGEN, einem tragikomischen Stück, das Schwierigkeiten demokratischer Entscheidungsfindung am Beispiel der Elternvertretung einer Schule darstellt. Darüber hinaus beobachten wir Martin Kušej und dessen Ensemble bei den Proben zu DER MENSCHENFEIND, Gerhild Steinbuch berichtet von ihrer Arbeit an der Bühnenadaption von Bram Stokers NOSFERATU, Thomas Köck schickt uns seine Playlist zu SOLASTALGIA und wir stellen Ihnen die Autorin von ABGEFUCKT, Julie Maj Jakobsen, vor. Und – last but not least – freuen wir uns auf HERR DER DIEBE, unser diesjähriges Familienstück.

Einleitend finden Sie Auszüge der denkwürdigen Podiumsdiskussion, deren zentrale Botschaft darin besteht, die politischen Gegebenheiten nicht gleichgültig hinzunehmen, sondern eine widerständige Kraft aufrechtzuerhalten. Um diesen Appell beispielhaft zu veranschaulichen, haben wir die Fotografin Irina Gavrich eingeladen, sich auf den Weg zu machen und an zwei Tagen Orte des Protests und zivilen Engagements in Wien zu dokumentieren. Ihren Ausgangspunkt nahm diese Recherche direkt vor dem Burgtheater.
 

Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre! 
Andreas Karlaganis und Markus Edelmann (Dramaturgie)

Magazin #16: Aufstehen

Protokoll: EUROPA IM DISKURS zum Nahostkonflikt

Die erste Ausgabe von EUROPA IN DISKURS in der Spielzeit 2023/24 in ganzer Länge zum Nachlesen. Mit Politikwissenschaftlerin Rula Hardal, Nahostexpertin Gudrun Harrer, Außenminister Alexander Schallenberg und Politikberaterin Dahlia Schei

Warum sollte man so schnell wie möglich erwachsen werden?

Burgtheaterstudio
Im Rahmen der Produktion von Cornelia Funkes HERR DER DIEBE begeben wir uns auf die Suche nach der Antwort, warum man so schnell wie möglich erwachsen werden sollte.

Fragebogen #8: Die Nebenwirkungen

Fragebogen
Wir haben den Journalist, Autor und Podcaster Andreas Sator eingeladen, eine Vorstellung von Jonathan Spectors Stück DIE NEBENWIRKUNGEN zu besuchen – seine Eindrücke teilt er mit uns im Fragebogen.

Schreibweisen #8: Sinfonien des Grauens

Schreibweisen
Wir haben Gerhild Steinbuch gebeten, uns einen Einblick in ihren Schreibprozess für NOSFERATU zu gewähren. Das Stück feiert am 19. Jänner 2024 Premiere im Burgtheater.

Synapsen Arpeggio Forever

Playlist
#7: Playlist: Thomas Köck zum musikalischen Fundament seines Stücks SOLASTALGIA.

Backstage bei DER MENSCHENFEIND

Einblicke in den Produktionsprozess zu Molières DER MENSCHENFEIND, festgehalten von der Fotografin Marcella Ruiz Cruz. Die Inszenierung von Martin Kušej feierte am 18. November 2023 Premiere im Burgtheater.

Die Wissenschaft der Empathie

Was kann Literatur der Welt von heute entgegensetzen? Auszüge aus Nino Haratischwilis Rede anlässlich ihrer Ernennung zur Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim. Ihre Überschreibung PHÄDRA, IN FLAMMEN sehen Sie im Akademietheater.

Büchners Flucht

Fundstück
Robert Walser schildert 1912 Büchners Flucht nach Straßburg. „Die Tragödie der Revolutionäre“, DANTONS TOD, feiert am 16. Dezember Premiere im Burgtheater.

Brief aus... #5 Ohio

Brief aus ...
Der US-amerikanische Regisseur Daniel Kramer teilt in seinem Brief aus dem Bible Belt Erinnerungen und Gedanken an sein Aufwachsen in Ohio und gibt damit den Hinweis auf eine wesentliche Inspirationsquelle seiner Inszenierung KASPAR.

OHMANNOSPHÄRE

Am 15. Dezember feiert Ferdinand Schmalz' Stück HILDENSAGA. EIN KÖNIGINNENDRAMA im Akademietheater Premiere. Für unser Magazin verfasste Ferdinand Schmalz einen Text über die „Mannosphären“ unserer Zeit.
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