Schreibweisen #1: GESCHICHTEN SIND REISEN

Schreibweisen
von Jimmy Osborne und Sue Buckmaster

In Folge #1 erklären Autor Jimmy Osborne und Mitautorin Sue Buckmaster, Künstlerische Leiterin und Regisseurin der britischen Theatergruppe Theatre-Rites, wie das Familienstück ZOES SONDERBARE REISE DURCH DIE ZEIT (ab 6 Jahren) entstanden ist.

Schreibweisen gibt es so viele, wie es Autor*innen gibt. In der neuen Rubrik geben Theatermacher*innen Einblicke in ihre Arbeitsprozesse. Wie entsteht ein neues Stück?

Stellen Sie sich vor: 100 Jahre in der Zukunft.

Die Plastikinseln im Meer sind riesig geworden; groß genug, um darauf zu leben. Es gibt nur noch wenige Tiere. Müllsammler, die auf der Insel überleben, basteln aus allem, was sie finden können, Meeres- und Himmelswesen, damit diese nicht in Vergessenheit geraten. Doch es gibt Hoffnung – denn zwischen all dem Müll befinden sich auch Schätze und zauberhafte Dinge, die etwas verändern können. 

Die britische Regisseurin Sue Buckmaster und ihre Compagnie Theatre-Rites sind seit 25 Jahren spezialisiert auf Stücke für die ganze Familie, zwischen Schauspiel, Musik, Tanz- und Puppentheater. Sie setzen dabei schon für die jüngsten Zuschauer*innen auf interkulturelle Kooperationen und große Themen wie Umweltzerstörung, Flucht oder Künstliche Intelligenz.

TEASER: ZOES SONDERBARE REISE DURCH DIE ZEIT

Geschichten sind Reisen.

Alle Geschichten sind Reisen. Für die Figuren, von denen sie handeln, für das Publikum, das sie erlebt, und für die Menschen, die die Geschichte schreiben. Die Arbeit an Zoes sonderbare Reise durch die Zeit war eine gemeinsame Erfahrung von verschiedenen Künstler*innen, die sich der Arbeit mit jungen Menschen widmen und sich für diese einzigartige Produktion mit Theatre-Rites und dem Burgtheater zusammengetan haben. 
Manche Stücke entstehen, indem sich eine Person monatelang einsperrt, um alles im Kopf auszuarbeiten und zu schreiben. Für unser Theater der Bilder kann man jedoch so nicht arbeiten. Eine Geschichte besteht nicht aus einer einzigen Idee, sondern aus verschiedenen Ideen, die miteinander verbunden werden und eine Geschichte ergeben. Für die visuelle Erzählweise von ZOES SONDERBARE REISE DURCH DIE ZEIT leisteten alle Beteiligten schon in der frühen Phase ihren Beitrag – egal ob Ausstatter*innen, Puppenspieler*innen, Schauspieler*innen, Kostümbildner*innen, Puppenbauer*innen, Übersetzer*innen und Komponist*innen. 

 

Jemand stellt ein poetisches Bild in den Raum und daraus entsteht ein möglicher Handlungsstrang. Ideen werden eingeworfen und aufgegriffen, bis die Handlung sich wie von selbst entwickelt. Und so entsteht eine theatralische Welt, die Schauspiel und Puppenspiel nahtlos verbindet...

Es beginnt mit einer Frage an alle, die mitgestalten oder produzieren: „Welche Geschichte wollen wir erzählen?“ Welche Themen, die wir in eine Geschichte verpacken könnten, begeistern uns, machen uns Angst, bringen uns zum Lachen, machen uns traurig, bringen uns dazu, zu handeln? Wir haben uns auf das Thema Müll geeinigt. Plastik. Plastikmüll ist überall. Wenn wir weiterhin so viel davon produzieren, wie wird unsere Welt in Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder aussehen? Es ist eines der Themen, über das unsere eigenen Kinder nachdenken und versuchen, etwas zu verändern. Kinder wollen die problematische Lage, in der ihr Planet sich befindet, verstehen – und sie wollen helfen. ZOES SONDERBARE REISE DURCH DIE ZEIT thematisiert das. 


Als Gruppe von Autor*innen in einer Art Writer’s Room müssen wir verstehen, dass wir auch auf nicht in Worte gefasste Botschaften hören müssen – das heißt, nicht nur auf die Schauspieler*innen achten, sondern auch auf die Objekte, mit denen wir spielen, wie Puppen, die ihre eigenen Geschichten zu erzählen haben, oder Bühnenbilder, durch die die Welt auf der Bühne entsteht. In dieser besonderen Geschichte, oder sagen wir „sonderbaren“ Geschichte, reist Zoe durch die Zeit. Deshalb ist die Struktur der Geschichte entscheidend. Jede Phase in der Entwicklung kann durch die Veränderung eines Materials auf der Bühne beeinflusst werden, genauso wie durch die Motivationen einer Figur; durch die Herstellung einer Marionette ebenso wie durch die Logik eines Szenarios. 


Wir spinnen gemeinsam Ideen. Jemand stellt ein poetisches Bild in den Raum und daraus entsteht ein möglicher Handlungsstrang. Es geht danach weiter hin und her und daraus entsteht vielleicht das Detail einer Figur. In der Folge kann das zu einem Schlüsselobjekt für die Entwicklung der Figur führen und daraus könnte eine visuelle Metapher entstehen. Ideen werden weiter eingeworfen und aufgegriffen, bis die Handlung sich wie von selbst entwickelt. Und so entsteht eine theatralische Welt, die Schauspiel und Puppenspiel nahtlos verbindet. 


Bei dieser Art der disziplinübergreifenden Zusammenarbeit geht es darum, nicht kleinlich zu sein und an den eigenen Ideen festzuhalten. Wenn jemand eine Idee hat, durch die ein neuer Teil der Reise entdeckt wird, dann spielt es keine Rolle, dass die Idee nicht von einer einzelnen „Autorin“ oder einem einzelnen „Regisseur“ stammt – der Teil ergänzt die Geschichte. Wenn jemand aus dem Ausstattungsteam fragt: „Wie wäre es, wenn sie in einem xxxxx durch die Zeit reisen“ (keine Spoiler!), dann kann man beim Schreiben des Stücks die Idee weiter ausarbeiten. Das Material, aus dem eine Puppe gemacht ist, wirkt sich auf die Objekte der Welt aus, in der die Geschichte spielt. Die Autor*innen weben das ins Stück ein. Einige Ideen sind zwar großartig, aber passen nicht. Einige kommen vielleicht monatelang in der Geschichte vor, fallen dann aber letztlich weg und wir müssen sie loslassen. Autor*innen kuratieren die Ideen und tragen dazu dabei, dass diese ihren Weg auf die Bühne finden. 
Im Text geht es weniger um die Worte, sondern eher um die Handlungen der Personen, Puppen und Objekte. Den Text des Stücks verfassen bedeutet auch, Dialoge herauszunehmen, wenn ein Bild oder eine Bewegung dasselbe aussagen kann. Wir wissen vielleicht, was eine Figur sagen soll, aber anstatt einen Dialog zu schreiben, schreiben wir die Bedeutung in den Text und bitten die Schauspielerin oder den Schauspieler, es körperlich auszudrücken. Das ist eine Theaterwelt, in der die visuelle Poesie im Vordergrund steht und das gesprochene Wort nur eine zarte Hülle ist, das diesem Erlebnis Raum gibt. 


Denn der Text ist vor allem eine Anregung dazu, mehr zu spielen. Wenn der Text gut ist, dann lässt er anderen Leuten die Möglichkeit, ihre Ideen mit einzubringen. Wenn die Geschichte überzeugend genug ist, dann kann sie verändert und auch auf den Proben weiterentwickelt werden, bis sie so weit ist, dass sie dem Publikum gezeigt werden kann. 
Alles, was zählt, ist die Geschichte und nur die Geschichte allein. Die Elemente aus denen sie besteht, die sie zu etwas Besonderem machen und uns auf ein neues Territorium führen. Beim gemeinsamen Schreiben und Spielen kristallisiert sich eine Geschichte heraus, die sich in eine ganz andere Richtung bewegt, als sie eine einzelne Person hätte schreiben können. 


Wir hoffen, dass durch unsere Reise des gemeinsam Spielens und Zusammenarbeitens eine wunderbare Phantasiewelt entsteht, mit Puppen und Menschen, die uns dazu bringen, zu lachen und gemeinsam mit dem Publikum zu spielen. Hoffnung und Inspiration werden durchschimmern, wenn sie sich mit uns auf die Suche nach der Rettung unseres Planeten machen. 

Was das Burgtheaterstudio zu Zoes Reise anbietet

Das BURGTHEATERSTUDIO arbeitet mit 14 Kooperationsschulen aus Wien und Umgebung intensiv zusammen. Für die Auseinandersetzung der jungen Zuschauer*innen mit dem Thema Plastikmüll und die Auswirkungen auf unser Ökosystem trifft das Team des Theaters nach dem Vorstellungsbesuch von ZOES SONDERBARE REISE DURCH DIE ZEIT die Klassen & Theater und Schule verbinden sich: Wir essen doch alle Bio und trennen unseren Müll, wieso ändert sich nichts? Wieso hören wir ständig, wir müssten immer mehr tun für unsere Umwelt und zugleich beschleicht uns das Gefühl, dass alles immer schlimmer wird? Was hat wirklich Einfluss? Wie können wir ordentlich Lärm machen, damit sich daran etwas ändert? Bei einer Projektwoche gestalten die Kinder Räume, Musikinstrumente, Kostüme aus Plastikmüll – der ist überall. Schnell wird klar, wie viel wir davon täglich produzieren und nutzen. Die Kinder stellen Fragen, gemeinsam suchen wir Ideen und Möglichkeiten und erarbeiten kleine Theaterstücke – wie wir Dinge verändern können. 


Bewerben Sie sich bei Interesse als Kooperationsschule des Burgtheaters! 
Weitere Informationen unter burgtheaterstudio@burgtheater.at
 

 

FAKTENCHECK

TRASHBUSTERS TRASHWALKS:

Gemeinsames Müllsammeln & Informationen zu Klimademos, zu Müllvermeidung, Umweltschutz, oder Recycling
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GREENPEACE KIDS:

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